ALLA PANORAMICA

An den Zähnen hängt der Mensch – Familienzahnmedizin mit Empathie und Geduld

Miguel Pereiro, Kommunikation SSO
Pia Neuenschwander
Neuhaus

Für Prof. Dr. Klaus Neuhaus ist Zahnmedizin weit mehr als Handwerk: Sie ist Begegnung, Vertrauen und Verantwortung. In seiner Praxis steht der Mensch im Mittelpunkt – von den ersten Milchzähnen bis ins hohe Alter. Besonders am Herzen liegen ihm Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die Geduld und Einfühlungsvermögen erfordern.

«An den Zähnen hängt der Mensch.» Dieser Satz ist für Klaus Neuhaus mehr als ein Praxismotto. Er beschreibt eine Haltung. «Wir behandeln nicht Zähne, sondern Menschen mit Zähnen», präzisiert er. Für Neuhaus bedeutet das, jeden Patienten im Ganzen zu sehen – mit seiner Geschichte, seinen Ängsten und seinem Umfeld. Es mache einen Unterschied, ob man sagt: «Es sitzt eine Pulpitis an 46 auf dem Stuhl», oder: «Frau X sitzt auf dem Stuhl, sie hat seit Tagen Pulpitis an Zahn 46, sie hat Schmerzen, schlecht geschlafen und betreut gleichzeitig ihre pflegebedürftige Mutter.»

Die Familienpraxis in Herzogenbuchsee begleitet Patientinnen und Patienten «von 1 bis 99 Jahren». «Das ist für mich das Schönste an unserem Beruf: Wir begleiten Menschen ein Leben lang», erzählt Klaus Neuhaus. Dieses langfristige Vertrauensverhältnis empfindet er als Privileg – und als Motivation, mit jedem Termin dazuzulernen.

Empathie als Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung

Seit fünfzehn Jahren betreut Klaus Neuhaus die meisten der in der Schweiz wohnhaften sogenannten Schmetterlingskinder – Kinder mit einer seltenen Erbkrankheit, bei der die Haut extrem empfindlich ist und schon durch leichte Berührung verletzt werden kann. Geprägt durch Erfahrungen aus dem Zivildienst in einer Behinderteneinrichtung, setzt er sich dafür ein, die Sichtbarkeit dieser vulnerablen Gruppe zu stärken. Dieses Engagement spiegelt sich auch in seiner Mitherausgeber- und -autorenschaft am Fachbuch «Die zahnmedizinische Behandlung von Menschen mit Special Needs» wider. Für die erfolgreiche Betreuung von Kindern mit speziellen Bedürfnissen brauche es laut Neuhaus drei Dinge: Empathie, Kreativität und solides fachliches Können. «Man darf nicht gehetzt wirken und keinen sofortigen Erfolg erzwingen wollen», sagt er. Vertrauen entstehe durch Ruhe und eine kindgerechte Atmosphäre.

Als weiteren Schlüsselfaktor nennt Klaus Neuhaus das Zeitmanagement. «Wir haben sechs Behandlungsstühle. Wenn man zu jeder vollen Stunde sechs Patientenwechsel plant, entsteht nur Stress – für alle. Ich plane lieber etwas mehr Zeit ein und bestelle besondere Patienten, wenn möglich, am Ende des Tages ein.»

Methodisch helfen bekannte und bewährte Ansätze: Tell – Show – Do, Ablenkung via Deckenfernseher und individuell abgestimmte Sedierungen – bis hin zur Intubationsnarkose, wenn es die Situation erfordert. «Erfolgreiche Ablenkung ist ja schon die halbe Miete», sagt Neuhaus. Wichtig bleibt dabei die Haltung: kein erzwungener Soforterfolg, kein gehetztes Auftreten – denn Ruhe überträgt sich, gerade auf Kinder.

Verbindung von Praxisalltag und Lehre

Klaus Neuhaus engagiert sich auch in der Aus- und Weiterbildung. Seine Praxis ist die einzige in der Schweiz, die von der SSO sowohl für die Weiterbildung in Allgemeiner Zahnmedizin als auch in Kinderzahnmedizin akkreditiert ist. Damit verbindet er Praxisalltag und Lehre auf besondere Weise. «Ich bin ein grosser Fan von Chairside Teaching – Studierende lernen direkt am Stuhl oft mehr als in einer Vorlesung», betont er. Sein Ziel sei es, praxisnah, evidenzbasiert und durch das Vorbild zu lehren. «Empathie lässt sich am besten vorleben.»

Am Ende seien es die kleinen Momente, die zählen, sagt Neuhaus: «Das Schönste ist, wenn Patientinnen und Patienten, die früher Angst hatten, wieder Vertrauen fassen – und wiederkommen.» Solche Begegnungen sind für ihn der eigentliche Massstab für Erfolg. Sie zeigten tagtäglich, wie wirksam Geduld und Mitgefühl in der Zahnmedizin sind.

Prof. Dr. Klaus Neuhaus

Klaus Neuhaus studierte zunächst Klavier und anschliessend Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke (D) und promovierte 2004. Nach mehreren Jahren als Oberarzt in Bern und Basel führt er seit 2018 die Praxis N|Dent in Herzogenbuchsee. Er ist Titularprofessor für Zahnerhaltung und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Zahnerhaltung der ZMK Bern.