Zurück zur Übersicht

Kinder auf dem Zahnarztstuhl – Tipps zum Umgang mit kleinen Patienten

med. dent. Sabrina Steinmeier
iStock
Kind in Zahnarztpraxis

Die Behandlung von Kindern erfordert eine eigene Herangehensweise und viel Fantasie. Ein spezielles Praxiskonzept für den Umgang mit Kindern kann Abhilfe schaffen.

Häufig haben Kinder Angst, zum Zahnarzt zu gehen. Sätze wie „Wenn du nicht Zähne putzt, musst du zum Zahnarzt und dann tut es richtig weh!“, prägen Kinder oft schon so sehr, dass es schwierig sein kann, den kleinen Patienten überhaupt auf den Stuhl zu bekommen. Wir Zahnärzte und Zahnärztinnen sollten mit unserem Konzept deshalb bei den Eltern beginnen. Eine vertrauensvolle Beziehung mit diesen kann entstehen, indem wir uns und den Eltern bewusst machen, dass wir am selben Strick ziehen. Eltern sind sich oft nicht im Klaren darüber, dass sie negative Haltungen auf ihre Kinder übertragen.

Die Welt mit Kinderaugen betrachten

Doch auch ohne Vorbelastung kann die ungewohnte Umgebung der Zahnarztpraxis Kinder einschüchtern. Denn für sie sind die Gerüche, die oft steril gehaltene Umgebung, die Geräuschkulisse und die eigenartige Kleidung neu.

Wo viele Kinder ein und aus gehen, da kann es sinnvoll sein, die Praxis kindergerecht zu gestalten. Bilder und Farben machen die Räume freundlicher. Auch die Kleidung der Mitarbeiter muss nicht zwangsläufig immer weiss sein. Ein Mundschutz oder Schuhe mit Tiermotiven beispielsweise können einen Gesprächseinstieg bieten. Ein Wartezimmer mit Spielmöglichkeiten erleichtert die Eingewöhnung ebenfalls.

Auch beim Empfang des Kindes in der Praxis kann man ansetzen. Das Praxispersonal sollte Eltern und Kind beim ersten Besuch direkt empfangen und die Praxis in einem kleinen Rundgang zeigen und erklären. Dadurch können bereits erste Berührungsängste abgebaut werden. Bei sehr zögerlichen Kindern kann es für den ersten Besuch auch schon genug sein, nur die Umgebung zu besuchen. Die erste Behandlung erfolgt dann erst beim zweiten Besuch.

Langsame Herangehensweise

Hat sich das Kind an die Praxisumgebung gewöhnt, geht es um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Vor allem wenn Kinder keine Zahnschmerzen haben, wollen sich viele nicht in den Mund schauen lassen. Daher ist es unabdingbar, dass wir uns mit den kleinen Patienten gut verstehen, um uns ihre Mitarbeit zu sichern. Und das braucht Zeit, denn Kinder benötigen für die meisten Dinge im Alltag etwas länger als Erwachsene. Wir können also nicht davon ausgehen, dass ein Kind innerhalb weniger Sekunden auf dem Stuhl sitzt und bereitwillig den Mund öffnet. Gerade beim ersten Termin sollte man mehr Zeit einplanen, um nicht in Zeitdruck zu geraten. Strahlt der Zahnarzt Gelassenheit aus, überträgt sich diese auch auf die kleinen Patienten.

Wie beginnen wir die Behandlung? Was unsere Assistentin bereits in den übrigen Praxisräumlichkeiten begonnen hat, können wir nun im Zimmer fortsetzen: Indem wir gemeinsam mit den kleinen Patienten unser Zimmer betrachten und ein erstes unverfängliches Gespräch beginnen. So schlagen wir bereits erste Brücken. Manchmal reicht es schon, die Kinder auf etwas offensichtliches wie einen tollen Pulli oder schön glitzernde Schuhe anzusprechen.

Erklären, erklären, erklären

Dann können wir einen Schritt weiter gehen und dem Kind in einfacher Sprache erklären, weshalb es heute hier ist und was wir mit welchen Mitteln erreichen möchten. Man erklärt, was der Behandlungsstuhl alles kann und wozu der kleine Spiegel da ist. Kinder fassen auch gerne an und probieren selbst aus, was ihnen bevorsteht.

Doch nicht nur Kinder, auch die Eltern brauchen eine Erklärung für das gewünschte Verhalten. Die Eltern sollten sich während der Behandlung im Hintergrund halten. Oftmals ist es sogar einfacher, wenn sie im Wartezimmer bleiben. Insbesondere wenn noch weitere Geschwister dabei sind, da sonst Unruhe und Nervosität entstehen können. Ebenso ist es wichtig, dass Eltern keine Vorhersagen zum Behandlungsablauf machen, da dies oftmals nicht der Realität entspricht.

Alternativen

In manchen Fällen ist ein Kind jedoch schon traumatisiert und weigert sich beharrlich, zu kooperieren. In einem solchen Fall ist zu unterscheiden, ob es ein Patient ist, der noch beschwerdefrei ist oder ob es sich um ein Kind handelt, das bereits mit Schmerzen zu uns kommt.

Beim schmerzfreien Patienten ist eine langsame Angewöhnung möglich. Das heisst: Wir schicken den Patienten nach Hause, machen aber bereits einen neuen Termin. Wichtig ist hierbei auch die Mitarbeit der Eltern. Ihnen muss klar sein, dass es Zeit braucht, Ängste zu überwinden und dass es sich lohnt, diese jetzt zu investieren.

Bei kleinen Patienten, die bereits mit Schmerzen zu uns kommen, drängt jedoch die Zeit. Hier muss man kreativ werden. Bei Kindern funktioniert Ablenkung oft sehr gut, denn sie verfügen über eine sprudelnde Fantasie. Diese gilt es sich zu Nutze zu machen. Mit Techniken der Hypnose beispielsweise, können wir ein Kind während der Behandlung geistig an einen Ort führen, an dem es sich wohl fühlt. Bei manchen Kindern ist das der Fussballplatz, bei anderen ein Ponyhof.

Hilft das noch nicht genug, kann eine Kombination mit Lachgas in Betracht gezogen werden.

Letzter Ausweg

In manchen Fällen helfen all diese Methoden wenig und das Kind mit Zahnschmerzen kooperiert nicht. In Absprache mit den Eltern bietet sich hier an, die dringend notwendige Behandlung unter Vollnarkose auszuführen. Nach einer solchen Behandlung ist es jedoch enorm wichtig, dass die Angewöhnung weitergeht.

Im Idealfall bieten wir Kind und Eltern eine Woche später einen Folgetermin an. Dies dient einerseits der Nachkontrolle und signalisiert andererseits, dass wir besorgt und interessiert sind. Wir können in der Nachkontrolle auf die Mundhygienegewohnheiten eingehen und gemeinsam üben und besprechen, wie diese zu Hause vonstatten gehen sollte. Ein nettes Wort am Ende der Kontrolle, vielleicht sogar gekrönt von einer kleinen Belohnung, hilft dabei, Ängste abzubauen und setzt die Hürde für den nächsten Besuch etwas tiefer.