ALLA PANORAMICA

Mundhygiene – so geht’s richtig

Sabrina Steinmeier
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SSO Wissen Mundhygiene

Die Mundgesundheit der Schweizer Bevölkerung fusst seit den 60er-Jahren auf prophylaktischen Massnahmen. Ivana Votta, Dentalhygienikerin an der Klinik für Zahnerhaltung und Präventivzahnmedizin der Universität Zürich, erklärt, was unter dem Begriff der Prophylaxe zu verstehen ist und gibt Tipps für die Praxis.

Frau Votta, welche Bereiche fallen unter den Begriff der «Prophylaxe»?

Die Ernährung ist ein wesentlicher Bereich der mundgesundheitlichen Prophylaxe. Generell wird eine zuckerarme Ernährung empfohlen. Dabei sollte insbesondere auf versteckte Zucker und auf Säuren in Lebensmitteln und Getränken geachtet werden. Auch Häufigkeit und Dauer der Nahrungs- und Getränkeaufnahme beeinflussen die Mundgesundheit entscheidend. Ein weiterer Bereich ist das Fluorid. In der Schweiz wird dieser – für die Remineralisierung essentielle – Bestandteil der Prophylaxe durch fluoridhaltige Mundhygiene-Produkte und fluoridiertes Speisesalz abgedeckt. Zu guter Letzt fällt die Mundhygiene unter den Begriff der Prophylaxe. Die richtige Produktewahl, die passende Reinigungstechnik und dierichtige Frequenz der professionellen Zahnreinigung helfen bei der Gesunderhaltung von Zähnen und Halteapparat.

Welche Ernährungstipps geben Sie Ihren Patienten?

Ein wichtiger Punkt, auf den ich immer wieder aufmerksam mache, ist die Schädlichkeit von Süssgetränken. Vielen ist zwar bewusst, dass diese ihrer Mundgesundheit nicht zuträglich sind, aber im Alltag gerät es allzu schnell wieder in Vergessenheit. Deshalb ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen. Dasselbe gilt für die Gefahr von starken Erosionen verursacht durch den Konsum von säurehaltigen Nahrungsmitteln. Darüber sind sich die Patienten nicht immer im Klaren. Vegane Patienten weise ich darauf hin, dass der vermehrte Rohkostverzehr stärkeres Kauen erfordert und dadurch oft stärkere Abrasionen, beziehungsweise Demastikationen entstehen.

Gibt es spezielle Ernährungstipps für Kinder?

Auch für Kinder steht eine zuckerarme Ernährung im Vordergrund. Süssigkeiten sind oft sehr klebrig und verbleiben länger im Mund als gewünscht. Deshalb sollten Eltern auf das Zahnmännchen achten, welches zahnfreundliche Lebensmittel kennzeichnet. Bei Getränken empfehle ich Wasser oder ungesüssten Tee.

Was sind absolute No-Go’s bei Getränken?

Süssgetränke, welche durch den Tag verteilt immer wieder in kleinen Portionen genossen werden, sind absolut nicht zu empfehlen. Energy Drinks sind wahre Zuckerbomben und ihr frisches Aroma haben sie ihrem tiefen pH-Wert zu verdanken.

Welche Produkte empfehlen Sie Ihren Patienten für die Zahnreinigung?

Die Produktwahl ist sehr individuell. Sie hängt vom Alter der Patienten, von der Motorik, der Art der bereits vorhandenen Versorgungen wie Prothesen oder Brücken, der Zahnkonfiguration sowie der Zahnstellung, dem Karies- und Parodontitisrisiko ab. Grundsätzlich ist eine fluoridierte Zahnpaste zu empfehlen. Die Wahl der Zahnbürste und Produkte zur Interdentalreinigung variieren mit den angesprochenen Voraussetzungen der Patienten.

Wird eine Zahnreinigung nach jeder Mahlzeit empfohlen?

Bei guter Mundhygiene ist bei Erwachsenen zwei Mal täglich Zähneputzen zu empfehlen, wobei einmal eine Interdentalreinigung dazu gehört. Bei Kindern sollten die Zähne nach jeder Mahlzeit geputzt werden.

Gibt es Fehler in der Mundhygiene?

Der häufigste Fehler liegt in der mangelnden Ausdauer: Die Patienten nehmen sich die notwendige Zeit nicht, welche es zur optimalen Reinigung bräuchte. Eine falsche Technik bei der Handhabung der Putzhilfen, wie beispielsweise die verbreitete Schrupptechnik, kann zu massiven Hart- und Weichgewebsdefekten führen.

Wie lange dauert eine professionelle Zahnreinigung?

Auch das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine Sitzung mit einem Neupatient dauert länger als mit einem erfahreneren Patienten. Ein Patient mit einem hohen Plaque-Indexmuss intensiver zur Mundhygiene motiviert werden, was entsprechend mehr Zeit in Anspruch nimmt. Und bei Gingivitis- oder Parodontitispatienten muss ebenfalls mehr Zeit einkalkuliert werden. Im Normalfall kann mit ungefähr 50 Minuten gerechnet werden.

Wie oft kommen die Patienten zu Ihnen zur Zahnreinigung?

Das Recallintervall bestimmt die Häufigkeit der Besuche. Anhand des Plaque-Indexes, des BOPs (Blutung bei Sondierung), des Vorhandenseins und der Tiefe der Taschen, des Vorhandenseins und der Anzahl von Implantaten und Rekonstruktionen, aktiver Karies, Verhaltensfaktoren wie dem Rauchen oder systemischen Faktoren, wie auch dem Gebrauch von bestimmten Medikamenten wird das Recallintervall bestimmt. Diese Faktoren beeinflussen das Karies- und Parodontitisrisiko.

Wie läuft eine Sitzung ab?

Ich beginne immer mit der Anamnese. Anschliessend erkundige ich mich nach den Wünschen des Patienten. Falls der Patient damit einverstanden ist, färben wir die Plaque an. Danach werden Sondierungstiefen und BOP gemessen. Falls es notwendig ist, werden Röntgenbilder angefertigt. Mit diesen Informationen können eine Diagnose und eine Risikoeinschätzung gemacht werden. Die Patienten werden daraufhin zur Mundhygiene motiviert und instruiert und gemeinsam werden die individuellen Problematiken besprochen. Erst danach beginnt die Behandlung: Perioflow, Ultraschallgerät, Handinstrumente und Politur mit Napf und Reinigungspaste sind dabei die Hauptakteure.

Wie instruieren Sie die korrekte Zahnputztechnik?

Ich lasse die Patienten immer zuerst vor dem Spiegel vorzeigen, wie sie vorgehen. Danach mache ich eine gezielt auf die Problematik bezogene Demonstration der Zahnputztechnik. Wichtig ist, dass man nicht versucht, das Mundhygiene-Programm des Patienten komplett auf den Kopf zu stellen. Das würde nicht funktionieren. Der Patient ist nicht in der Lage, zu viele neue Informationen umzusetzen. Eine Änderung von über Jahren angewöhnten Praktiken braucht Zeit.

Wie werden festsitzende Rekonstruktionen am besten gereinigt?

Nebst den bereits erwähnten, individuellen Bedürfnissen der Patienten bestimmen die Motivation des Patienten und die Lage der Rekonstruktionen wesentlich die beste Reinigungstechnik. Von Schallzahnbürsten, über Duofloss oder Triofloss, Interdentalbürsten oder Singlebrushes ist alles denkbar.