ALLA PANORAMICA

Wie bringt man Familie und Beruf unter einen Hut?

Sabrina Steinmeier
Worklife

Nach dem Berufseinstieg und den ersten Berufserfahrungen stellt sich bei vielen jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten die Frage nach der Familienplanung. Sandra Zurbuchen, stellvertretende Geschäftsleiterin der Fachstelle UND zur Umsetzung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, erzählt, welchen Herausforderungen frischgebackene Eltern begegnen.

Frau Zurbuchen, mit welchen Problemen kommen berufstätige Eltern zu Ihnen?

Sandra Zurbuchen: Ein häufig geschildertes Problem ist, dass Arbeitgeber bezüglich Arbeitspensen und Arbeitszeiten nicht flexibel genug sind. Das liegt mitunter daran, dass ihnen oft das Know-how fehlt, wie sie die Bedürfnisse von berufstätigen Müttern und Vätern mit den unternehmerischen Zielen in Einklang bringen können. Auch die fehlende partnerschaftliche Unterstützung, gerade bei beruflich gleich qualifizierten Partnern, stellt für viele Paare ein Problem dar. Oft wird vorausgesetzt, dass Frauen ihr Pensum reduzieren, wenn die Kinder auf der Welt sind. Es steht gar nicht zur Debatte, dass der Mann auf seine Karriere verzichtet. Zur Verteidigung der Männer muss man aber auch sagen, dass es für sie oft schwieriger ist, ihr Pensum zugunsten von Haus- und Familienarbeit zu reduzieren, da sie damit häufig auf Unverständnis stossen – auf Arbeitgeberseite sowie im privaten Umfeld. Öfters kommen auch hochqualifizierte Frauen zu uns, die nicht auf ihre Karriere verzichten möchten, weil sie Mutter sind. Vielfach kämpfen sich diese Frauen mit einem minimal reduzierten Pensum durch, was aber spätestens mit dem zweiten Kind nicht mehr machbar ist oder aber zu einer kräftezehrenden Zerreissprobe wird. Generell stellen wir fest, dass Frauen ihre Bedürfnisse und Erwartungen oft zu wenig dezidiert formulieren und deshalb eine schlechtere Verhandlungsbasis haben.

Sandra Zurbuchen
Berät zusammen mit ihrem Team in allen Fragen derVereinbarkeit von Beruf und Familie: Sandra Zurbuchen, stellvertretende Geschäftslei-terin der Fachstelle UND.

 

Wie gehen alleinerziehende Frauen mit diesen Herausforderungen um?

Alleinerziehende Frauen kommen höchst selten zu uns in die Beratung. Das dürfte daran liegen, dass die meisten schlichtweg keine Zeitdafür haben. Zudem verfügen sie häufig über geringe finanzielle Mittel. Das Pensum zu reduzieren, kommt in vielen Fällen gar nicht in Frage. Frauen in einer solchen Situation setzen meistens auch die Prioritäten ganz anders. Sie stellen ihre persönlichen Bedürfnisse zurück und verzichten zugunsten ihrer Kinder auf private und berufliche Verwirklichung. Diejenigen Frauen, die dennoch zu uns kommen, kämpfen aber meistens mit denselben Problemen wie Frauen in einer Partnerschaft.

Kommt eine selbständige Tätigkeit für eine berufstätige Mutter überhaupt in Frage?

Ja. Bei Zahnärztinnen kommt es zum Beispiel immer wieder vor, dass sie sich in Praxis- gemeinschaften zusammenschliessen und jeweils Teilzeit arbeiten. Aber die Kosten einer solchen Praxisgründung oder -übernahme mit einem Teilzeitpensum zu amortisieren ist meistens innert nützlicher Frist nicht machbar. Und eine geeignete Praxispartnerin zu finden, die sich in derselben Region niederlassen möchte, ist auch nicht immer möglich.

Ist es als Mutter möglich, eine akademische Karriere einzuschlagen?

Die meisten Akademikerinnen schaffen es bis zum Doktorat. Sobald es um eine Professur geht, befinden sie sich im Alter, in dem sich die Frage nach der Familienplanung stellt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Druck, viel zu publizieren, am höchsten. Die meisten Universitäten haben in den letzten zehn Jahren eini- ges unternommen, um diese Situation zu entschärfen. Aber es ist noch immer so, dass Berufungsgremien nicht sehr heterogen zusammengesetzt sind, was das Geschlecht und das Alter betrifft. Und der Geist, dass nur viel Präsenz eine gute wissenschaftliche Leistung begründen kann, ist omnipräsent. Es gibt zwar auch kreative Ansätze, um diese Hürden zu umgehen – der Wille, eine akademische Karriere zu machen, muss dann aber schon gross sein.

Kommen auch Männer zu Ihnen, um sich beraten zu lassen?

Ja, das kommt gelegentlich vor. Für sie ist es fast noch schwieriger. Wenn ein Mann Teilzeit arbeiten möchte, um die Familie zu betreuen, löst das immer stärkere Reaktionen aus, als bei einer Frau. Zumindest, wenn der Mann das freiwillig möchte. Mehr Verständnis ist da, wenn er dazu gezwungen ist, weil er beispielsweise alleinerziehend ist. Schön zu sehen ist es, dass betroffene Männer im Nachhinein oft sagen, dass die Herausforderung zwar sehr gross ist – sie es aber sehr geniessen, dass sie in beiden Lebensbereichen so kompetent geworden sind.

Welche Unterstützung bei der Kinderbetreuung nehmen Schweizerinnen und Schweizer in Anspruch?

In der Schweiz ist es üblich, dass Gross- und Schwiegereltern mitbetreuen. Mit einer etwas schwierigeren Situation sehen sich Fachkräfte aus dem Ausland konfrontiert. Sie haben keinen Familienanschluss und sind auf sich alleine gestellt. Gerade wenn beide Partner berufstätig sind, gibt es schnell ein Betreuungsproblem. Zwar kann man die Kinder in die Obhut einer Kindertagesstätte geben. Aber spätestens, wenn ein Kind krank ist und nicht in die Kita darf, wird die Organisation eine Herausforderung. Zudem sind Kindertagesstätten teuer. Ein Zweiteinkommen lohnt sich erst, wenn eine bestimmte Grenze überschritten wird. Die Frau muss ein relativ hohes Pensum haben und gut verdienen, damit die Familie nicht weniger Geld zur Verfügung hat, als wenn die Frau zuhause bliebe. Für Frauen mit tiefen Salären lohnt sich eine Kita, auf kurze Sicht gesehen, finanziell deshalb oft nicht. Durch die bessere berufliche Integration der Frau und die damit verbundene bessere Absicherung der Familie insgesamt macht sich die Investition langfristig aber bezahlt.

Was würden Sie einem jungen Paar raten, das Nachwuchs möchte?

Beide sollten sich im Klaren darüber sein, welches Rollenbild sie mit dem Vater- oder Muttersein assoziieren und was Mann- bzw. Frausein für sie bedeutet. Diese Vorstellungen sollten sie klar kommunizieren und gemeinsam kritisch reflektieren. Auch, wie der Lohn gerecht verteilt wird, sollte Teil der Überlegungen sein und in diesem Zusammenhang, wie sich Teilzeitarbeit auf die eigene Altersvorsorge auswirkt. Sehr wichtig für das Paar ist es auch, verbindlich zu regeln, wie die bezahlte und unbezahlte Arbeit untereinander aufgeteilt wird. Dies sollte dann bereits im Mutterschaftsurlaub konsequent so gelebt werden, um zu verhindern, dass sich beim erneuten Arbeitseinstieg Gewohnheiten eingeschlichen haben, die nicht der ursprünglichen Abmachung entsprechen. Weiter sollte nochmals genau geprüft werden, welche Personen als Unterstützung für die Kinderbetreuung in Frage kommen. Vielleicht ist die naheliegendste Möglichkeit nicht immer die beste. Es kann verlockend sein, die eigenen Eltern oder die Schwiegereltern einzuspannen. Gleichzeitig sollte man diese auch nicht überbeanspruchen, um möglichen Konflikten oder ungünstigen Abhängigkeiten vorzubeugen. Und zu guter Letzt müssen sich die Partner auch bewusst sein, dass sie Vertrauen aufbringen und bereit sein müssen, die Verantwortung abgeben zu können – auch wenn die Betreuungsperson dem eigenen Empfinden nach nicht immer alles perfekt macht.

Engagement auf verschiedenen Ebenen

Die Fachstelle UND ist das führende Kompetenzzentrum in der Schweiz für die Umsetzung der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit. Sie richtet sich an Privatpersonen, Fachleute und Organisationen. Getragen wird die Fachstelle UND vom «Verein Familien- und Erwerbsarbeit für Männer und Frauen». Seit 1996 wird sie im Rahmen der Finanzhilfen nach dem Gleichstellungsgesetz des Bundes finan- ziell unterstützt. Weitere Informationen: www.fachstelle-und.ch