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Rückenschmerzen unter Zahnärztinnen und Zahnärzten: Ein häufiges Problem

Sabrina Steinmeier
iStock: Wasan Tita
Rückenschmerzen

Durch die Körperhaltung, welche der Beruf des Zahnmediziners mit sich bringt, treten oftmals Beschwerden im Hals- und Nacken, sowie dem Rückenbereich auf. Die Physiotherapeutin Anja Hinteregger erklärt, wie wir unseren Rücken schonen und unterstützen können.

Anja Hinteregger, Zahnärztinnen und Zahnärzte leiden aufgrund ihrer Körperhaltung bei der Behandlung von Patienten oft an Rückenschmerzen. Wie kann man diesen vorbeugen?

Die wichtigsten zwei Punkte zur Prävention sind körperliche Aktivität und Information. Auf der körperlichen Ebene ist es wichtig, sich möglichst vielfältig und regelmässig zu bewegen. Sofern es möglich ist, kann man hier den Arbeitsplatz so gestalten und die Arbeitsabläufe so strukturieren, dass man Positions- und Bewegungsabwechslung hat und dazu animiert wird, sich mehr und vielfältig zu bewegen. Zudem ist ein fundiertes Hintergrundwissen zu Verlauf, Häufigkeit und zu den multifaktoriellen Ursachen von Rückenschmerzen wichtig. Wenn Rückenschmerzen z.B. ein häufiges Thema bei Zahnärzten und Zahnärztinnen sind, könnten Inhalte dazu auch präventiv in der Ausbildung aufgegriffen werden. Ein Blick auf die allgemeine Gesundheit, wie beispielsweise Schlaf oder Stress, ist ebenso relevant. Die Art des Sitzens oder die Körperhaltung sind im Vergleich zu den obengenannten Punkten untergeordnet.

Welche «Hausmittel» helfen bei Beschwerden?

Bei akuten Rückenschmerzen kann es in den ersten Tagen hilfreich sein, dass man es ruhiger angeht und das Aktivitätsniveau reduziert. Für die Genesung ist es jedoch sehr wichtig, aktiv zu bleiben und allmählich zu den gewohnten Aktivitäten und Bewegungen zurückzukehren. Regelmässige Positionswechsel helfen dabei. Häufig macht man das bereits intuitiv genau richtig. Wenn Sitzen beispielsweise Schmerzen verursacht und die Arbeit viel sitzende Tätigkeiten beinhaltet, lohnt es sich, Bewegung einzubauen. Leichte Bewegungen, wie Beckenkippen oder -kreisen oder sich ab und an nach vorne sinken zu lassen, können hilfreich sein. Bewusst entspannte Körperhaltungen kann man ebenfalls einbauen, wie sich abstützen, anlehnen oder in den Bauch atmen.

Haben diese Massnahmen versagt, wenn der Rückenschmerz doch eintritt?

Nein. Wenn man akute Rückenschmerzen hat, ist es wichtig zu wissen, dass etwa 80 bis 90 Prozent der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal oder wiederholt unter Rückenschmerzen leiden. Die meisten Rückenschmerzen bessern innerhalb von zwei Wochen und klingen nach sechs Wochen wieder ab. Schmerz und die Schmerzintensität sind nicht immer mit Schaden gleichzusetzen. Der Rücken ist sehr anpassungsfähig und widerstandsfähig.

Welche Sitzgelegenheit bietet sich für Zahnärzte an?

Ergonomische Massnahmen wie Stützen, Hebevorrichtungen, Veränderungen am Arbeitsplatz und Arbeitsplatzrotation scheinen weniger wirksam zu sein als Bewegung. Dennoch sind jene Sitzgelegenheiten sinnvoll, die eine angenehme Arbeitsposition und -variation zulassen: Sie sollten höhenverstellbar sein und ein Anlehnen und Abstützen, sowie eine Gewichtsverlagerung ermöglichen.

Wie können Gewohnheiten einer Arbeitshaltung überwunden werden?

Gewohnheiten müssen nur dann angepasst werden, wenn sie Beschwerden bereiten. Falls dies der Fall ist, ist es wichtig, dass man sich seine üblichen und gewohnten Positionen bewusst macht. Danach gilt es, Lösungen zu finden, wie mehr Abwechslung erreicht werden kann. Hier kann man entweder die Arbeitsabläufe so gestalten, dass man sich zwangsläufig anpassen muss, oder man ersetzt die alten Gewohnheiten durch neue. Hier kann man mit Erinnerungshilfen wie klassische Post-its, farbige Punkte oder Erinnerungen am PC oder Handy arbeiten.

Wie sieht eine akute Therapie bei bereits persistierenden Rückenbeschwerden aus?

Anhaltende Rückenschmerzen sind multifaktoriell bedingt, daher muss auch die Therapie multifaktoriell angelegt sein. Aufgrund der Untersuchung wird das Behandlungsziel von Therapeut und Patient gemeinsam festgelegt. Danach werden individuelle Informationen zu Rückenschmerzen, biopsychosozialen Einflussfaktoren und Schmerzmechanismen vermittelt. Darauf aufbauend wird ein Aktivitätsprogramm mit kognitiv verhaltenstherapeutischen Ansätzen erstellt. Die manuelle Therapie wird, wenn überhaupt, nur als Teil des multimodalen Ansatzes eingesetzt. Angepasst an die Patientenziele kommt Übungs- und Trainingstherapie zum Einsatz. Copingstrategien zum Umgang mit Schmerz begleiten die Therapie ebenfalls.

Welche sportlichen Aktivitäten können Rückenprobleme mindern?

Es spielt weniger eine Rolle, welchen Sport man macht, sondern einfach, dass man sich bewegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man den Sport längerfristig und regelmässig macht, ist höher, wenn man sich für einen Sport entscheidet, der einem Freude bereitet. Die WHO empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive aerobe Aktivität pro Woche als Ziel. Zudem ist zweimal pro Woche Muskeltraining sinnvoll.

Anja Hinteregger ist Physiotherapeutin (Master of Science), im Physiozentrum Wetzikon

Zu diesem Beitrag ist ein Leserbrief eingegangen. Die Interviewpartnerin hat darauf geantwortet. Lesen Sie hier die beiden Texte: