Tiefenentspannt zum Zahnarzt – dank Hypnose

Sabrina Steinmeier
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Hypnose

Zahnarztbesuche sind für viele Patienten mit Angst verbunden. Mit Hilfe von Hypnose können Konsultationen entspannt vonstattengehen. Prof. Dr. med. dent. Christian Besimo, ehemaliges Vorstandsmitglied der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Hypnose (SMSH), erklärt, wie es funktioniert.

Herr Besimo, was versteht man unter oralmedizinischer Hypnose?

Prof. Dr. med. dent. Christian Besimo: Die oralmedizinische Hypnose ist eine psychosomatische Therapiemethode, welche tiefere Bewusstseinszustände zugänglich macht und nutzt. Diese veränderten Bewusstseinszustände werden auch als Trance bezeichnet. Im Prinzip handelt es sich um eine fokussierte Achtsamkeit bei maximaler Entspannung. In diesem Zustand gewinnt man Zugang zum Unbewussten. Um das Ziel der entspannten Achtsamkeit zuerreichen, gibt es unterschiedliche Methoden. Eine erste Möglichkeit ist die Verwendung einer positivsuggestiven Sprache. Jeder Patient ist bei einem Arztbesuch auf seine Gesundheit fokussiert. Verwenden der Behandler und das Praxisteam eine positive-suggestive Sprache, kann diese negative Anspannung des Patienten in eine positive Form, eben die entspannte Achtsamkeit, überführt werden. Die eigentlich therapeutische Trance hingegen wird gegenüber dem Patienten klar deklariert und abgesprochen. So kann beispielsweise ein Patient mit dentaler Phobie in Tranceerlernen, wie er besser mit seiner Angst umgehen kann. Dies gelingt beispielsweise durch sogenannte Dissoziation: Der Patient bringt sich gedanklich von der eigentlichen Behandlungssituation weg an einen Ort, an dem er sich sicher und beschützt fühlt. Das Hineinführen in die Trance über Atmung oder Punktfixation erfolgt mit Worten und dauert wenige Minuten. Wichtig ist: Bei der oralmedizinischen Hypnose handelt es sich nicht um eine manipulative Methode. Die fokussierte Achtsamkeit in Entspannung bietet dem Patienten die Möglichkeit, eine andere Perspektive auf Herausforderungen zu gewinnen und so für sich neue Lösungswege zu finden.

Christian Besimo
Prof. Dr. med. dent. Christian Besimo, ehemaliges Vorstandsmitglied der SchweizerischenÄrztegesellschaft für Hypnose (SMSH).

 

Für welche Patienten eignet sich die oralmedizinische Hypnose?

Für die nicht-deklarierte entspannte Achtsamkeit eignen sich alle Patienten. Herausfordernder ist es bei der therapeutischen Trance, bei der das Erreichen der maximalen Entspannung von der Suggestibilität des Patienten abhängt. Konkret kann die oralmedizinische Hypnosezur Angstkontrolle, zur Verhaltensänderung beispielsweise bei Bruxismus oder Rauchen, oder zur Erlernung von Bewältigungsstrategien bei Myoarthropathien eingesetzt werden. Sie hilft auch bei der Therapie akuter oder chronischer Schmerzen, bei der Behandlung von Kindern, zur Regulation von Blutungen oder des Speichelflusses, zur Konzentrations- und Leistungssteigerung oder in Notfallsituationen. Ziel der Hypnose ist das Erlernen der Selbsthypnose, so dass der Patient die heilende Wirkung der Methode für sich selbst nutzen kann. Vorsicht ist bei Patienten mit einer psychiatri-schen Diagnose geboten. Sie sollten ohne vorgängige Rücksprache mit dem behandelnden Therapeuten nicht in Hypnose behandelt werden.

Welche Auswirkungen hat die Hypnose auf den Organismus?

Trancephänomene können kinästhetischer Natur sein, wie eine Versteifung des Körpersoder Levitation. Darunter versteht man das Verbleiben angehobener Gliedmassen in derselben Position über längere Zeit, ohne dass Ermüdung eintritt. Ebenso können sensorische Veränderungen wahrgenommen werden. Patienten berichten über Bilder, die sie gesehen haben oder erleben physikalische Veränderungen, wie Temperaturwahrnehmung. In tiefen Entspannungszuständen können auch Analgesie- oder Anästhesiegefühle auftreten. Schmerzintensität, -qualität und -häufigkeit können ebenfalls beeinflusst werden. Sehr typisch ist auch dieVeränderung der zeitlichen Orientierung und des zeitlichen Erlebens. Rein körperlich sieht man den Entspannungszustand am sinkenden Blutdruck und abfallenden Puls. Durch den alternativen Zugang zum Gedächtnis entsteht oftmals eine gewisse Amnesie, die das Irrelevante auszublenden vermag.

Wie lange dauert eine Hypnose und inwiefern ist dies steuerbar?

Idealerweise dauert sie so lange wie die Behandlung. Vor allem Kinder tauchen wieder rasch aus der Hypnose auf, können aber auch leicht wieder zurückgeführt werden. Zeitlich gibt es prinzipiell keine Beschränkung. Gerade bei aufwändigeren Therapiemassnahmen kann eine Trance zur Entspannung des Patienten auch über mehrere Stunden aufrecht erhalten werden. Gesteuert wird die Hypnose über die verbale Kommunikation und die ruhige Art der Behandlung.

Können Schmerzen durch Hypnose beeinflusst werden?

Die Schmerzwahrnehmung kann tatsächlich verändert werden. Um die Schmerzwahrnehmung bei Eingriffen auszuschalten, braucht es aber in der Regel zwei Therapeuten, wobei einer die hypnotische Begleitung durchführt. Das ist sehr teuer. Ich arbeite deshalb trotzdem mit dem Lokalanästhetikum. Bei Nadelphobikern kann die Hypnose zum angstfreien Legen der   Lokalanästhesie verwendet werden. Bei chronischen Schmerzen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Myoarthropathien, können Patienten mit Hilfe der kognitiven Hypnotherapie lernen, die Beschwerden in ihrer Qualität, Quantität und Häufigkeit positiv zu verändern. Oder sie lernen, das verursachende Verhalten zu ändern.

Wie wird die Behandlung abgerechnet?

Für die therapeutische Hypnose gibt es keine eigene Tarifposition. Deshalb verrechnen wir in meinem Team diese Leistung über die Position vermehrter Zeitaufwand, wobei wir für uns entschieden haben, jeweils nur diehalbe Behandlungszeit zu verrechnen. Dieser Zusatzaufwand muss im Vornherein mit dem Patienten abgesprochen sein.