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Führung in der Zahnarztpraxis

Sybille David-Hebgen, Swiss Dental Journal
Istock
Führung

Gute Führung verlangt Praxisinhabern und Führungskräften einiges ab. Einmal umgesetzt entfaltet sie aber in allen Bereichen der Praxis Wirkung.

Führung ist auch in Zahnarztpraxen eines der wichtigsten Managementthemen. Dennoch wird aktive Führung oft vernachlässigt, man lässt alles einfach laufen. Erst wenn Konflikte im Team unübersehbar werden und wenn hohe Fehlzeiten und Kündigungsquoten den Praxisalltag zunehmend erschweren, wird man sich bewusst, dass gehandelt werden muss. Erfolgversprechender als Krisenintervention ist Prävention. Bereits einfache Massnahmen können Störungen vermeiden helfen und dafür sorgen, dass diese frühzeitig erkannt und Lösungen gefunden werden.

Was ist Führung und was nicht?

Durch Führung sollen Ziele erreicht, ­Prozesse erfolgreich gestaltet und damit ­beste behandlerische und wirtschaftliche ­Ergebnisse erzielt werden. Idealerweise erreichen Vorgesetzte mit ihrer Führung, dass sich Mitarbeitende so verhalten, dass sie die Praxis angemessen vertreten, behördliche Vorgaben eingehalten werden und damit die wirtschaftliche Basis der Praxis gesichert ist. Weiter wird durch ­einen humanistisch geprägten Führungsstil eine positive Praxiskultur gepflegt, die dafür sorgt, dass die Praxis auch als Arbeitgeberin attraktiv ist. Und last but not least wirkt sich ein guter Führungsstil auch auf die Beziehung zwischen Praxis und Patient aus. Ein leistungswilliges, fröhliches Team mit gut gelaunten Chefs lässt Patienten gerne wiederkommen, sie empfehlen die Praxis weiter, Vertrauen wird aufgebaut. Und eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung ist weniger störanfällig, die Bindung wird stärker, die Preissensibilität sinkt.

Kurz gesagt: In einer exzellenten Praxis arbeiten die besten Mitarbeitenden, ­anspruchsvolle und zuzahlungsbereite Patienten werden angezogen, und die Praxis wird noch erfolgreicher. So ist Führung ganzheitlich zu betrachten, da sie in allen Bereichen der Praxis Wirkung entfaltet.

Führung bedeutet nicht allein, Vorgaben zu machen und Mitarbeitende zu kontrollieren. Führung heisst im Umkehrschluss aber auch nicht, alles einfach ­laufen zu lassen, ohne Korrektiv und Feed­back. Eine Mischung aus Vorgaben, erreichbaren Zielen sowie der Gelegenheit, dass Mitarbeitende ihre Talente entfalten und eigene (Verbesserungs-)Vorschläge einbringen können, führt zum Erfolg.

Praxiskonzept und Leitbild

Führung beginnt mit einer klaren Vorstellung des eigenen Praxiskonzepts, ­einer eigenen Praxisvision. Nur wenn die Praxisleitung selbst genau weiss, wie die Praxis sein soll, können auch andere dieser Vorstellung folgen. Hilfreich ist es, die eigene Praxisvision schriftlich niederzulegen und sie zu visualisieren. Als wirkungsvoll haben sich Leitbildworkshops mit dem gesamten Team gezeigt. Gemeinsam wird eine individuelle Praxisphilosophie entwickelt, welche die Werte des Unternehmens Zahnarztpraxis festlegt. Dieses Praxisleitbild ist die unternehmerische DNA, es bildet das Alleinstellungsmerkmal ab und macht die Praxis unverwechselbar. Im nächsten Schritt werden aus dem Leitbild konkrete, erreichbare Ziele abgeleitet und verbindlich vereinbart. Sie sind die Voraussetzung für eine mess- und steuerbare erfolgreiche Praxisentwicklung. Und sie bilden die Basis für eine zukunftsfähige Führungskultur.

Wer bin ich, und wie ticken die anderen?

Um andere führen zu können, ist es hilfreich, sich selbst gut zu kennen. Wer bin ich, welches Menschenbild habe ich, welche Persönlichkeitsmerkmale sind ­typisch für mich? Wer dies herausfinden möchte, kann das beispielsweise mit dem «Reiss Profile», einem weltweit ein­gesetzten Persönlichkeitsprofil, tun (www.rmp-germany.com). Es wird ­online ausgefüllt und besprochen. Führungspersonen erhalten Klarheit darüber, welche inneren Treiber für ihr Handeln verantwortlich sind, sie lernen ihre Individualität zu leben und mit ihrer Anders­artigkeit im Vergleich mit anderen gut auszukommen.

Unverzichtbare Führungsmethoden

Neben der Kenntnis der eigenen Führungspersönlichkeit gibt es einige Unverzichtbare Führungsmethoden.

1. Aktiv führen

«Ich will gar nicht führen, meine Mit­arbeitenden wissen schon selbst, was zu tun ist.» Gerade Persönlichkeiten mit ­einem hohen Anspruch an sich selbst und mit einem gering ausgeprägten Führungsmotiv neigen zu dieser Einstellung. Sie nehmen an, dass alle Mitarbeitenden ebenso anspruchsvoll bei der Aufgaben- und Zielerfüllung sind wie sie selbst. Und dass andere die Dinge ebenso sehen und bewerten, wie sie selbst und daraus die richtigen Schlüsse ziehen – was dann doch oft nicht der Fall ist. Mitarbeitende brauchen aktive Führung mit konkreten Vorgaben wo nötig und mit persönlichem Entscheidungsspielraum wo möglich.

Empfehlung:

Aktiv führen heisst, transparente Strukturen aufzubauen, Mitarbeiterkompe­tenzen und Talente zu fördern und zu stärken, Leistungen zu bewerten und gegebenenfalls zu korrigieren. Dabei gilt es auch, Praxisregeln und konkrete Prozessbeschreibungen zu entwickeln, die für alle Orientierung bieten. Transparenz bedeutet in diesem Fall, dass Ergebnisse gemessen und Leistungen bewertet werden, um eine kontinuierliche Mitarbeiter- und Praxisentwicklung zu gewährleisten. Regelmässiges Training in Kommunikation, Umgangsformen, Praxisworkshops und Prozess-Reflexion entlasten die Führungsperson, sorgen für Kontinuität und verbessern das Verständnis für die notwendigen Massnahmen.

2. Kein Helikopter-Chef sein

Das Gegenteil von einem nichtführenden Chef ist der Helikopter-Chef. Solche Chefs vertrauen ihren Mitarbeitenden nicht, trauen ihnen nichts zu, mischen sich überall ein und wollen alles kontrollieren. Sie sind der Meinung, niemand könne die Dinge so gut wie sie selbst. Das führt über kurz oder lang zur eigenen Überlastung, weil solche Persönlichkeiten kaum delegieren wollen oder können. Helikopter-Verhalten kann zu häufigem Mitarbeiterwechsel oder zu Frustration bei Mitarbeitenden führen. Sie verlassen die Praxis, weil sie keine Entfaltungsmöglichkeiten für ihre Talente sehen. Andere fallen zurück in die Mittelmässigkeit, weil sie erkennen, dass sie es ihrem Helikopter-Chef sowieso nie recht machen können. Wozu sich dann noch anstrengen?

Empfehlung:

Durch genaues Beobachten und regelmässige Mitarbeitergespräche können Führungspersonen herausfinden, wer im Team gerne mehr Verantwortung übernehmen möchte. Wenn Aufgaben an ­geeignete Mitarbeitende übertragen ­werden, sollte der Chef so konkret wie möglich klären, was er erwartet, und den Mitarbeitenden Anerkennung geben, wenn es gelingt. Sollte etwas nicht auf Anhieb klappen, soll der Mitarbeitende die Chance erhalten, den Fehler selbst zu erkennen und zu beheben. Eine weitere Möglichkeit ist es, Führungskräfte aus dem Team einzusetzen. Diese Mitarbeitenden erhalten ein persönliches Führungs­coaching bzw. entsprechende Kurse oder sind bereits qua ihrer reifen Persönlichkeit intuitiv in der Lage, andere zu führen. Sie sorgen für die Umsetzung von Führungsvorgaben und entlasten den Praxisinhaber merklich.

3. Feedback und Anerkennung als ­Motivatoren einsetzen

Häufig unterschätzte, völlig kostenlose Führungsinstrumente sind Feedback und Anerkennung. Durch ehrliches Feed­back erhalten Mitarbeitende Rückmeldung zu ihrem persönlichen Leistungsniveau. «Nichts gesagt ist genug gelobt» lautet eine häufige Fehlannahme. Mitarbeitende wollen wissen, wie sie vom Chef gesehen, wie ihre Leistungen und ihr Verhalten bewertet werden. Im Feedbackgespräch werden gute Leistungen gewürdigt, aber auch unerwünschtes Verhalten und Fehlleistungen werden thematisiert und dafür Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Das fördert die Weiterentwicklung und gibt Orientierung. Während Feedback Teil eines Mitarbeitergesprächs ist, wird Anerkennung für besondere oder Mehrleistungen spontan gegeben.

Empfehlung:

In vielen Mitarbeiterzufriedenheitserhebungen wünschen sich die Befragten noch vor einer Gehaltserhöhung mehr Anerkennung und Respekt von ihren Vorgesetzten. Es empfiehlt sich deshalb, einfach einmal Danke zu sagen, wenn Mitarbeitende zum Beispiel Zusatzdienste bei Erkrankung von Kollegen übernehmen oder nicht planbare Überstunden leisten. Auch die gleichbleibende Freundlichkeit der einen Kollegin, das harmonisierende Wesen der anderen, die Erfolge der Dentalassistentin können gewürdigt werden. Für ein regelmässiges Mitarbeiterfeedback muss man sich Zeit nehmen: bei neuen Mitarbeitenden und Lernenden anfänglich engmaschig, dann je Quartal, später ein- bis zweimal jährlich. Diese Feedbackgespräche sind immer wertschätzend geführte Vier-Augen-Gespräche, während Anerkennung und Lob durchaus auch öffentlich geäussert werden können.

4. Eine konstruktive Fehlerkultur ­implementieren

Fehler sind ärgerlich, keine Frage. Manchmal kosten sie auch Zeit und Geld, was noch ärgerlicher ist. Dennoch gehören Fehler im Praxisalltag dazu. Niemand ist perfekt und kann dauerhaft Höchstleistungen erbringen. Fehler können passieren – aber bitte nicht ­immer die gleichen und nicht immer durch die gleichen Ursachen und Verursacher. Um Fehler zu vermeiden, bedarf es einer konstruktiven Fehlerkultur. Dabei werden Fehler reflektiert und Lösungen für die künftige Fehlervermeidung entwickelt. Mitarbeitende sollen Fehler nicht vertuschen oder jemand anderem unterschieben, sondern sollen selbst oder mithilfe von Kollegen oder Vorgesetzten analysieren, wie es dazu kam und wie man den Fehler künftig vermeiden kann.

Empfehlung:

Vorgesetzte sollten sicherstellen, dass alle Teammitglieder verstehen, warum Arbeitsprozesse genau so wie vereinbart durchgeführt werden müssen. Hilfsmittel wie Checklisten, Fotos oder Videoanleitungen zu nutzen, ist ausdrücklich erwünscht! Sind Fehler passiert, müssen diese gemeinsam besprochen werden. Ein erfolgreiches Fehlermanagement geht immer alle an. Der angstfreie Umgang mit Fehlern bringt Mitarbeitende dazu, sich dem Chef oder einem Kollegen anzuvertrauen, wenn sie immer wieder den gleichen Fehler bei sich entdecken, sich überfordert fühlen oder etwas nicht verstehen. Ein Fehler-Wiki mit erprobten Praxis-Hacks kann die Fehlerkultur in ein effektives Entwicklungsinstrument umwandeln.